Neue Raumgleiter: Mit 5x Schallgeschwindigkeit um die Welt

Eine neue Generation von Raumgleitern soll Passagiere mit fünffacher Schallgeschwindigkeit um die Welt fliegen.

In viereinhalb Stunden von Berlin nach Sydney fliegen — wer würde nicht gern so schnell auf die andere Seite der Welt gelangen?

Die Concorde mag in Museen verstauben, doch die Idee vom Reisen mit Überschalltempo erlebt derzeit eine Renaissance. So hat etwa die europäische Raumfahrtagentur ESA ein Programm aufgelegt, um geeignete Antriebskonzepte zu identifizieren. Die neuen wiederverwendbaren Raketenantriebe sollen so leistungsfähig sein, dass mit ihnen ausgestattete Jets für 300 Personen Mach 5 und damit fünffache Schallgeschwindigkeit erreichen. Dieser Bereich wird als „Hyperschall“-Tempo bezeichnet.

Raketengetriebene Flugzeuge sind schneller als herkömmliche Jets, benötigen aber viel mehr Treibstoff. Dadurch wird das Gewicht des Treibstoffes selbst zum limitierenden Faktor. Schließlich müssen die Antriebe genug Leistung erbringen, um den nötigen Vorrat an flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff transportieren zu können.

Da die neuen Raumgleiter nicht zwingend in den Weltraum hinaus fliegen, liegt die Idee nahe, den Sauerstoff für die Verbrennung nicht mitzunehmen, sondern den in der Luft vorhandenen zu nutzen. Gelänge das, wäre Sauerstoff aus dem Tank nur noch für den Flug außerhalb der Atmosphäre nötig.

Dieser Ansatz steckt hinter Sabre, einem Antrieb, den die Firma Reaction Engines in Großbritannien entwickelt und testet. Er ist darauf ausgelegt, in einem zukünftigen Raumgleiter namens „Skylon“ (siehe Computersimulation oben) Satelliten in den Orbit zu befördern.

Blitzkühler für den Sauerstoff

Doch Sabre lässt sich auch für suborbitale Passagierflüge mit Mach 5 einsetzen. Ein von ihm angetriebenes Flugzeug könnte auf einer Höhe von rund 25 Kilometern fliegen. Dort ist der Luftwiderstand geringer als in normalen Flughöhen, aber es ist noch genügend Sauerstoff vorhanden, um den Wasserstoff zu verbrennen.

Die Schlüsseltechnologie der Firma ist ein „Vorkühler“, eine extrem schnelle, leichte Kühlvorrichtung. „Bei Mach 5 heizt sich die Luft, die in den Antrieb strömt, auf mehr als 1000 Grad Celsius auf. Dabei würde ein normaler Raketenantrieb schmelzen“, erklärt Ben Gallagher, verantwortlich für die Geschäftsentwicklung bei Reaction Engines. „Also kühlen wir die Luft innerhalb einer Hundertstelsekunde auf minus 150 Grad herunter.“ Wird die Luft danach für die Verbrennung mit Wasserstoff komprimiert, bleibt sie ungefährlich.

Wie der Vorkühler im Detail funktioniert, ist so geheim, dass Reaction Engines nicht einmal Patente auf die Technik angemeldet hat. Bekannt ist nur, dass die Luft über eine große Zahl von dünnen, mit Helium gekühlten Röhrchen geleitet wird, die eine sehr große, kalte Oberfläche bilden. Bei Tests sei der Sabre-Vorkühler sechs Minuten lang stabil gelaufen, ohne zu vibrieren, sagt Reaction-Chef Alan Bond. Etwa so lange dauere es, einen Raumgleiter vom Boden aus in einen Erdorbit zu bringen.

Nicht nur Vertreter des Unternehmens bestätigen diese Ergebnisse. Als unabhängiger Beobachter war Mark Ford bei den Sabre-Tests dabei. Er ist Antriebsingenieur am Forschungszentrum ESTEC der ESA in den Niederlanden.

„Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend, und wir sind sehr beeindruckt“, sagt er. „Der Vorkühler hat dafür gesorgt, dass die Luft mit einer Temperatur von unter null Grad stabil durch die Maschine strömte.“

Ein Antrieb für Flughöhen

Die Sabre-Technik hat große Vorteile gegenüber dem älteren Konzept des „Scramjets“. Das ist ein Motor ohne bewegliche Teile, der das hohe Tempo des Flugzeugs nutzt, um Luft zu Treibstoff zu komprimieren. Scramjets funktionieren erst ab Mach 4 und müssen deshalb mit einem zweiten Raketenantrieb beschleunigt werden. „Wenn für verschiedene Abschnitte der Flugbahn unterschiedliche Antriebe nötig sind, befördert das Flugezeug teuren Ballast“, sagt Gallagher.

Es gibt noch andere Ideen, um Mach 5 zu erreichen. Eine mögliche Technik ist die Pulse Detonations Engine (PDE, übersetzt etwa „Pulsexplosionsantrieb“), eine Gemeinschaftsentwicklung der Firma MDBA Missile Systems, des Airbus-Eigentümers EADS und des Lavrentyev-Instituts für Hydrodynamik in Nowosibirsk. Die PDE ist eine Weiterentwicklung des Triebwerks, das im Zweiten Weltkrieg die deutsche V1 antrieb, den ersten militärisch genutzten Marschflugkörper. Mit ihrem charakteristischen Knattern versetzte die V1 damals die Londoner in Angst und Schrecken.

Bei dem sogenannten Pulsstrahlantrieb werden in regelmäßigen Abständen kleine Mengen Treibstoff und Luft in einen Kanal eingespritzt und gezündet. Gleichzeitig schließen sich auf der Vorderseite des Triebwerks Ventile, damit die Verbrennungsprodukte nach hinten feuern und den Flugkörper nach vorne treiben.

Die Partner des Gemeinschaftsprojekts wollen das Prinzip weiterentwickeln und so in den Hyperschall-Bereich vorstoßen. Sie arbeiten an einer Technologie, die sie als Antrieb mit „kontinuierlicher Detonationswelle“ bezeichnen. Dabei wird der Druck der Treibstoffinjektion mehrere tausend Mal pro Sekunde verändert, deutlich häufiger als bei herkömmlichen Pulsstrahltriebwerken. Bei dieser Art der Zündung verbrennt der Treibstoff vollständiger — eine Druckwelle folgt unmittelbar auf die nächste. Das soll den nötigen Schub für Mach 5 liefern.

Bis normale Passagiere mit solcher Geschwindigkeit reisen, wird noch viel Zeit vergehen. Doch die jüngsten Testerfolge motivierten Großbritanniens Wissenschaftsminister David Willets, von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) Regeln für geeignete Flughäfen zu fordern. „Es ist nicht so, dass die EASA dem Thema ablehnend gegenübersteht“, sagte Willets dem „New Scientist“. „Sie hat einfach keinen Rechtsrahmen dafür.“

Virgin Galactic hegt bereits länger Pläne für suborbitale Flüge. Die Firma will Touristen und Forschern Reisen ins All ermöglichen. Die Manager dort denken sogar über Routen nach, bei denen die Jets in eine Erdumlaufbahn eintreten. „Direktflüge wären phantastisch“, erklärt Betriebsleiterin Julia Tizard.

„Eine Erdumrundung dauert insgesamt 90 Minuten, also könnten Sie in Großbritannien losfliegen und 45 Minuten später in Australien zu Mittag essen.“